2007-4 Rotterdam-Report
Vor knapp einem Monat, das heißt seit Anfang August, ist für mich vorerst das Thema Leben und Arbeiten in den Niederlanden zu Ende gegangen. Oder besser gesagt „Sich wundern über die Niederlande“.
Bis zum Schluss blieb es spannend, was sich nicht zuletzt am großen zeitlichen Abstand zwischen der vorigen und dieser Mail ablesen lässt.
Aber nacheinander.
Ich habe erstmal gemerkt, dass sich deutsche Gewohnheiten nicht so einfach abschütteln lassen.
Denn, ehrlich gesagt, hatte ich das ganze Theater mit dem Exportieren meines Autos in die Niederlande nur als „Probe“ für den Motorrad-Export gemacht, da mir ein Arbeitskollege versichert hatte, dass Motorräder mit holländischen Kennzeichen weniger schnell geklaut würden. Das leuchtete mir sofort ein, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die niederländischen Kennzeichen deutlich kleiner als die deutschen ausfallen und damit den dicken 180-er Hinterreifen viel besser zur Geltung bringen..
Also fuhr ich eines schönen Frühlingsmorgens fröhlich, entspannt und im guten Glauben, alle Dinge wie die Einverständniserklärung des Zolles, die Triumph ohne normalerweise nachzuzahlende „Luxussteuer“ (10 % des Neuwertes) einführen zu dürfen, vorab geregelt zu haben, wieder zum RDW. Ich stellte mir ungefähr eine Stunde Gesamtaufwand vor, schließliuch war ich ja kein Anfänger mehr in diesem Metier.
Dank des vorher vereinbarten Termines lief die Import-Untersuchung lief auch prima. Ich habe mich zwar gewundert, dass der Achsabstand zwischen Vorder- und Hinterachse peinlich genau gemessen und mit den Fahrzeugdaten verglichen wurde, eine in meinen Augen aber viel wichtigere Bremsprüfung anscheinend nicht notwendig war – na gut, immerhin wollte der Beamte noch wissen, wie laut der Motor bei 5000 Umdrehungen pro Minute war.
Anschließend konnte ich noch eine knappe Stunde in Motorzeitschriften blättern, dann war wieder der Zoll-an der Reihe. Und dem fiel gleich zu Anfang auf, dass die einseitige Bescheinigung meiner Anmeldung bei der Stadt Rotterdam nicht ausreichend war, es fehlte eine „offizielle“ zweiseitige spezielle Bescheinigungin verschnörkelter Urkundenoptik. Völlig verdattert wies ich darauf hin, dass dieselbe Bescheinigung ausreichend gewesen sei, mein Auto anzumelden – der höfliche Beamte lies sich nicht erweichen und erkärte, das sein Kollege bei der PKW-Anmeldung einen Fehler gemacht habe und der Import des Wagens eigentlich nicht rechten sei. Wir beschlossen beide, dieses Thema nicht weiter zu verfolgen.
Na gut, also ein weiterer Besuch bei der Stadtverwaltung. Ebenso freundlich wie beim Zoll wurde mir erklärt, dass die Auskunft des Zolles falsch sei. Ich bekam zwar eine 2-seitige, allerdings anders aussehende Bestätigung in die Hand gedrückt.
Dummerweise sah das der Zoll auch beim zweiten Besuch ganz anders – es war Zeit für einen neuen Streckenrekord Zoll in Schiedam – Stadtverwaltung Rotterdam – zurück! Zum Glück gab es keine Radarfallen auf dem Weg und die Flüche konnte ja keiner unter dem Helm hören. Und: 10 Minuten habe ich nur benötigt, meinen Wunsch vorzutragen, an einem weiteren Schalter eine Bearbeitungsgebühr zu zahlen und anschließend die gewünschte „Urkunde“ zu bekommen – ich bin sicher, ein Jahrhundertrekord für diese Behörde.
Der Rest war ein Klacks, die übrigen Papiere waren in Ordnung, 3 Tage später bekam ich per Post lizensierte Schilderbetrieb hatte zwar keine Motorradblankoschilder vorrätig, konnten aber innerhalb von 5 Tagen eines besorgen – und schon war innerhalb von 3 Wochen meine Motorrad umgemeldet!
Egal, die folgenden Strandtage an den schönen Wochenenden, an denen wir mit dem Motorrad vorbei an allen wartenden Autos zum Fahrradstand direkt am Strand vorfahren konnten, waren die Mühe im Nachhinein locker wert.
Durch den Verlauf der Fußball-WM haben wir alle gelernt, dass akribische Vorbereitung mindestens zu einem Podestplatz führt. Danach hätte allerdings Holland locker Weltmeister werden müssen, denn schon einen Monat vor Beginn des Turniers hatte sich das ganze Land akribisch mit Wimpeln vorbereitet und orange eingefärbt. Jede Straße mit mindestens zwei geschmückten Vorgärten konnte sich bei der Stadt Rotterdam bewerben, ein kostenloses Flaggen- und Wimpelset für sämtliche übrigen Häuser zu bekommen. (Ich hatte durch den ganzen Werberummel prima Mitbringsel und Kindergeschenke wie orangefarbenes auswaschbares Haarspray, Wangenschminke und gleichfarbige Trillerpfeifen) Schade, dass die portugiesischen Fußballer diese Anstrengungen nicht zu würdigen wussten…
Ansonsten war das Frühjahr prima, ich genoss die große, fertig eingerichtete Wohnung, konnte den Schriftverkehr mit dem Bauherrn und den Fachingenieuren in Leipzig übernehmen und mehrere Male dorthin fliegen, musste dafür allerdings zuerst ein halbes Jahr alten Schriftverkehr sichten und abheften, half aushilfsweise für einen Monat in einem holländischen Projekt mit Ausführungszeichnungen aus, bekam mehrmals Besuch, einen neuen erfahrenen Kollegen im Leipzig-Projekt und fühlte mich schon als halber „Pannekoeken“.
Und dann gegen Ende Mai tauchte das Thema Projektumzug nach Prag auf:
– zuerst die prinzipielle Frage – „Tja, warum nicht?“
– 3 Tage später die Frage, wir uns das auch Anfang Juli vorstellen könnten – „Klar, wenn das Thema Wohnen geregelt würde“
– dann erstmal Pause
– Anfang Juni hatte ich 2 Wochen Urlaub
– bei der Rückkehr war noch nichts weiter passiert
– eine Woche später, also schon eher Ende Juni habe ich mal nachgefragt – Rückfrage „wann mein Kollege und ich den Zeitpunkt für günstig halten würden“
– also überlegten wir uns intern, dass, wenn überhaupt vor der Abgabe der Bauantrags-Unterlagen, Ende Juli aus unserer Sicht o.k. wäre
– eine Woche lang interessiert sich die Geschäftsleitung nicht für das Ergebnis unserer Überlegungen, also bat ich um ein weiteres Gespräch
– das verlief dann prima, unser Umzugsvorschlag wurde akzeptiert, mir wurde bestätigt, dass kein zeitlich befristeter Umzug, sondern ein endgültiger geplant sei und ich erläuterte daraufhin, dass dies für mich das Aufgeben meiner Rotterdammer Adresse und, aufgrund des Adressentfalles, einigen organisatorischen Aufwand mit Versicherungs-Ummeldungen, Re-Import von Auto und Motorrad etc. , bedeuten würde.
Da ich schon mal vorgefühlt hatte, konnte ich als Auflösungstermin für die Wohnung Ende September vorschlagen. Das passte unserem HR Frank, also Personalmanager, der mit am Gespräch teilnahm, bestens, er suchte noch Quartiere für junge Moskauer Kollegen, die in diesem Zeitraum durch Mitarbeit in Rotterdam den „office-spirit“ mitbekommen sollten und bat mich, meinen Vermieter zu fragen, ob dazu meine Wohnung genutzt werden könne.
Wir gingen mit dem Ergebnis auseinander, uns in 5 Tagen Anfang der nächsten Woche wieder treffen zu wollen, um die Einzelheiten besprechen zu können. Und ich wurde noch kurz gefragt, ob es o.k. sei, wenn das Büro für meinen Kollegen und mich eine gemeinsame Wohnung für die ersten 2 Monate suchen würde. Da die Zunge wieder schneller als der Verstand war, stimmte ich zu.
– nachdem ich über den letzten Punkt nochmals geschlafen hatte, bat ich am folgenden Tag den HR-Manager doch um eine eigene kleine Wohnung – „Klar, das ginge in Ordnung, das könne er gut verstehen“
– Nach anderthalb Wochen, also 2 Wochen vor dem eigentlichen Umzug, hatte ich noch nichts wieder gehört und musste feststellen, dass unser HR-Manager, der sich um den Umzug kümmern sollte gerade im Ausland war.
– also schrieb ich eine interne Mail mit Vorschlägen, wie ich mir die Abwicklung selbst so vorstellen könne, wie viel Zeit und Flüge zurück nach Rotterdam und Deutschland ich für die Ab- und Ummeldungen veranschlagen würde und dass meine Vermieterin gern vor ihrer Zusage Frank kennen lernen würde
– nach vier Tagen kam eine „launige“ Mail zurück und einen weiteren Tag später fand das angekündigte Gespräch statt
– Im Gegensatz zur Mail wurden dort meine Vorschläge alle als plausibel akzeptiert und mir eröffnet, dass das Büro mittlerweile nicht mehr an einer Anmietung meiner Wohnung für die beiden russischen Kollegen interessiert sei… Aber sie hätten eine schöne Wohnung für meinen Kollegen und mich gefunden! Ja, aber ich hatte doch damals einen Tag später darum gebeten… Oh, Entschuldigung, jetzt würde es ihm wieder einfallen, stimmt ja, aber die Wohnung sei schon angemietet…“
Aber ob ich Angebote für Umzugsunternehmen einholen könne und wie viel Kisten Projektmaterial wohl benötigt würden…
– zum Glück wurde der Umzug noch um eine Woche verschoben
– am Ende hatte ich meinen privaten Umzug organisiert, die Arbeitsunterlagen in sämtliche, im Keller vorhanden Umzugskartons verstaut, das Büro einen Ford Transit gemietet und kurzfristig einen jungen Kollegen überredet, dass er in seiner Urlaubswoche doch einen Städtetrip als Fahrer nach Prag machen könne.
Jetzt ganz im Ernst, es ist genauso abgelaufen. Ich habe nichts dazu erfunden, nur eine Menge über Flexibiltät gelernt.
Am Montag, den 7. August schloss sich dann ein Kreis, wie im Vorjahr fuhr über die deutsche Grenze, verstand kein Wort mehr im Radio, und es fing an zu regnen…..
(Vorgeschoben aus dramaturgischen Gründen, aber eigentlich, weil seitdem mordsmäßig viel Arbeit im Projekt anfiel, sodass das Privatleben gerade etwas kurz kommt, mache ich an dieser Stelle mal Schluss!)
Viele Grüße
Dieter
Und übrigens: wartet bitte nicht auf eine Top-10-Liste tschechischer Worte, da könnte ich jeden x-beliebigen Satz nehmen! Ich weiß jetzt, wie sich erwachsene Analphabeten fühlen müssen….